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in neuer Begriff für ein altes Problem: die toxische Beziehung. Früher wurde solch eine Partnerschaft meist einfach als »unglücklich« bezeichnet. Mit dem Begriff »toxisch« wird die Sachlage etwas konkreter. Es ist eine Liebe, die zwischen zwei Extremen schwankt. An einem Tag steht Glückseligkeit an und am nächsten die Katastrophe. Solch eine Dynamik ist schwer auszuhalten und das sollte auch niemand dauerhaft tun.

Nathalie weiß dies sehr gut. Sie hat fünf Jahre in einer toxischen Partnerschaft verharrt, bis die Ehekrise so groß wurde, dass sie den Schlussstrich zog. Leider ist das Aus der Ehe aufgrund eines toxischen Partners oft die einzige Lösung, um wieder zu einem ausgeglichenes Wohlbefinden zurückzukehren. Was die typischen Anzeichen einer toxischen Beziehung sind und weswegen sie zumeist das Ehe-Aus bedeuten, erfährst du hier!

Der klassische Beginn der toxischen Partnerschaft: Liebe auf den ersten Blick

Nathalie konnte ihr Glück kaum fassen. Sie war bereits 35 Jahre alt und glaubte nicht mehr daran, noch einmal zu heiraten. Ihr Umfeld belächelte sie und gab ihr den Namen »alte Jungfrau«. Fair fand sie das nicht. Sie hatte mehrere Freunde in der Vergangenheit gehabt, aber niemand war der Richtige. Der Eine betrog sie im ersten gemeinsamen Urlaub, der Andere wohnte zu weit weg und der Letzte interessierte sich mehr für seine Autos als für sie. Mit den Männern hatte sie innerlich abgeschlossen. Umso erstaunter war sie, als sie Silvio traf. Es war Liebe auf den ersten Blick. Sie fühlte sich wie in einem Hollywoodfilm. Alles war perfekt. Alles fügte sich zusammen. Alles war wunderbar. Er machte ihr Komplimente, trug sie auf Händen und brachte - wie ein alter Kavalier - zu jedem der ersten Dates Blumen mit.

Ihre Freunde mochten Silvio auch. Er wirkte wie der perfekte Mann und brachte alle zum Lachen. Nur ihre beste Freundin Steffi war sich nicht sicher. Sie fand Silvio irgendwie »zu perfekt«. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Wie Recht sie damit hatte, konnte sie damals nicht einmal ahnen. Nathalie erzählte ihr nicht, dass eigentlich ER der Grund war, warum sie ihre Freunde und Familie nur noch selten sah. Sie fand es auf der einen Seite süß, dass er so vereinnahmend war. Auf der anderen Seite vermisste sie ihre Freunde und Verwandte. Darüber hinaus fiel es ihr immer schwerer, Unmut auszudrücken. Bereits in den ersten Monaten der Beziehung fand sie heraus, dass sie ihn nicht kritisieren konnte. Sobald sie etwas störte, auch wenn es nur Kleinigkeiten waren, verdrehte er ihre Kritik. Am Ende hatte sie immer das Gefühl, sie sei im Unrecht. Doch Nathalie verbannte diese zaghaften Zweifel aus dem Kopf. Sie war zu glücklich mit ihm, zu fasziniert von ihm und zu verliebt. Und was ist schon falsch daran, jeden Konflikt mit gutem Sex zu beenden?

Nach der Heirat wurde alles schlimmer

Nathalie konnte es kaum fassen. Der schöne, smarte Silvio machte ihr einen Heiratsantrag. Überglücklich nahm sie an. Sie plante eine Traumhochzeit und spannte dafür ihre Freundinnen ein. Silvio beobachtete ihre Freude mit Argwohn. Irgendwann sagte er zu ihr: »Was soll der ganze Hochzeitszirkus? Hast du nichts Besseres zu tun? Wir sollten einfach nur standesamtlich heiraten und das im kleinen Kreis.« Nathalie fühlte sich wie vor dem Kopf gestoßen, aber irgendwie schaffte Silvio es, dass sie glücklich zustimmte. Nur in der Nacht, als Silvio bereits tief schlief, beschlich sie ein ungutes Gefühl? Hatte sie das wirklich gewollt?

Die Hochzeit war schön. Nathalie war wieder auf Wolke 7. Sie fand, sie hatte einen tollen Mann an ihrer Seite, der eigentlich sogar zu gut für sie war. Auch Silvio ließ dies manchmal verlauten. Einmal im Streit sagte er selbst, dass er für sie doch ein »toller Fang« sei und sie sich glücklich schätzen könnte. War das richtig? Als sie sich über seine Aussage beschwerte, setzte er gezielt ihre Unsicherheiten gegen sie ein. Geschickt konnte er sie auf diese Weise manipulieren, was er bereits öfter getan hatte. Zudem entwickelte Nathalie Unsicherheiten, die sie vor Silvio gar nicht kannte. Ihrer Freundin Steffi fiel dies auf. Nathalie selbst bemerkte es nicht. Sie hatte ein anderes Problem: Ihre Ehe schwankte stetig zwischen intensiver Liebe und drohender Scheidung. Permanent hatte sie Angst, dass es zur Trennung kommen könnte. Sieht so eine glückliche Beziehung aus?

Toxische Ehe: Schluss mit der Idealisierung

Nathalie wollte erst nach einigen Jahren Ehe wahr haben, dass sie eigentlich seit Beginn der Beziehung in einer Krisensituation steckte. Sie war Teil einer toxischen Beziehung, in der die Bedürfnisse von Silvio im Vordergrund standen. Ihre Aufgabe war es, sie zu erfüllen. Ihr Mann schaffte immer wieder, seine Wünsche zu ihren Wünschen zu machen. Manchmal geschah dies mithilfe von Manipulation, manchmal durch Druck oder aufgrund der Warnung »dann lassen wir uns eben scheiden«.

Typische Anzeichen für eine toxische Beziehung sind:

  • Dominanz
  • Kontrolle
  • Egoismus
  • Abwertung

Silvio manipulierte Nathalie so, wie er sie gerade haben wollte. Doch wieso steckte sie darin so fest? Wieso idealisierte sie Silvio über Jahre hinweg? Nathalie hatte eine traurige Kindheit, die von emotionalem Mangel geprägt war. Sie entwickelte ein schwaches Selbstwertgefühl und übernahm unbewusst gern den schwachen Part in der Partnerschaft. Über Jahre hinweg verwechselte sie in der Partnerschaft mit Silvio Leid mit Liebe. Sie ordnete sich konsequent unter und begann an ihrer Wahrnehmung zu zweifeln. Darüber hinaus glaubte sie an Silvios Worte: »Ohne mich ist ein Leben für dich doch gar nicht mehr möglich.« Irgendwann schaffte es Nathalie, ihren Mann nicht mehr zu idealisieren. Sie hinterfragte ihn. Ihm gefiel das gar nicht und die Partnerschaft verschlechterte sich dramatisch.

Sind Gespräche oder eine Psychotherapie keine Lösung?

Während bei anderen Beziehungsproblemen offene Gespräche oder gar eine Psychotherapie helfen, gibt es für die toxische Beziehung oft keine zufriedenstellende Lösung. Es ist nahezu unmöglich, dass die Partnerschaft mit einem toxischen Ehegatten auf Dauer erträglich ist. Der toxische Part zeigt in der Regel stark narzisstische Züge, die schwer therapierbar sind. Das liegt vor allem daran, dass der toxische Partner keine Schuld bei sich sieht. Sucht sein Ehepartner mit ihm das Gespräch, verdreht er es wie gewohnt zu seinen Gunsten. Gegen solch eine Persönlichkeitsstörung anzukommen, ist kaum möglich. Da jedoch beide an der Beziehung arbeiten müssten, ist eine toxische Ehe in der Regel aussichtslos. Der nicht-toxische Part müsste sich nämlich dauerhaft unterordnen, was natürlich auf die Psyche geht.

Konkrete Hilfe für Betroffene: Grenzen setzen in der toxischen Beziehung

Es ist schwer, sich von einem toxischen Partner zu trennen. Im ersten Schritt sollten Betroffene daher lernen, Grenzen zu setzen. Darüber hinaus müssen sie die Fähigkeit entwickeln, für sich selbst da zu sein und sich selbst Trost zu spenden. Sie sind nicht auf den anderen angewiesen. Kurzum: Betroffene müssen Selbstbestimmung lernen und erkennen, dass sie nicht das Problem in der Beziehung sind. Wenn eigene emotionale Wunden noch nicht geheilt sind ist es nicht gerade leicht, seine eigenen Wünsche und Grenzen gegenüber einem dominanten Partner durchzusetzen. Aber daran sollten sie arbeiten. Sie dürfen sich nicht als Opfer erachten. Ist das geschafft, setzt in der Regel der Selbsterhaltungstrieb ein. Dieser mündet oft in der Trennung vom toxischen Partner, der die Persönlichkeitsentwicklung seines Ehepartners mit Argwohn beobachtet. Denn: Solch ein starker Partner ist von der toxischen Person nicht erwünscht.

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Photo by Sydney Sims on Unsplash

Publiziert am 
Jan 4, 2021
 in Kategorie:
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