G

Gabi hielt sich für eine glückliche Mutter und Ehefrau. Doch als auf einmal die erwachsenen Kinder aus dem Haus waren, fühlte sie sich leer und alleingelassen. Natürlich wünschte sie sich für die Sprösslinge nur das Beste, aber dennoch ging ihr Auszug mit einem Gefühl der tiefen Traurigkeit einher. Dazu mischte sich in den nächsten Tagen Unsicherheit. Was sollten sie und ihr Mann jetzt machen? Von heute auf morgen war alles anders. Keiner hörte mehr zu laut Musik oder ließ die Schmutzwäsche im Flur liegen. Die Chipstüten und Tiefkühlpizzen blieben unangetastet.

Auf das geliebte Chaos folgte die bedrohliche Stille.

Es dauerte nicht lange, da stellte sich eine Ehekrise ein. Gabi war unausgelastet. Ihr Mann wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Sogar die Gespräche am Esstisch erstarben, sodass beide schon bald gemeinsam vor dem Fernseher aßen. Ist dies der Anfang vom Ende? Lässt sich eine Ehekrise ausgelöst durch den Auszug der erwachsenen Kinder meistern?

Die Eltern bleiben zurück

Mit dem Auszug der erwachsenen Kinder bricht das Hauptsystem der Familie zusammen. Die Eltern bleiben als Subsystem zurück, was entweder zu einem Bedeutungsgewinn ihrer Beziehung oder zum Abstand bzw. zur Trennung führt. Plötzlich ist einfach alles anders. Der Alltag wird auf den Kopf gestellt. Es gibt jetzt nur noch das Paar, was auf einmal mehr Zeit für Zärtlichkeiten, gemeinsame Hobbys, vertraute Gespräche und Fernsehabende hat. Das erfordert eine Umstellung – im Geiste sowie in den alltäglichen Routinen.

Selbst sehr glücklichen Paaren fällt es manchmal schwer, sich auf die Veränderungen einzustellen.

Oft müssen sie erst wieder lernen, die neuen Freiheiten zu genießen. Spontanreisen, Sex im ganzen Haus und vieles mehr sind möglich. Diese neuen Freiheiten gehen jedoch zugleich mit einem Verlustgefühl einher. Immerhin müssen sich die Eltern von ihren Kindern ebenso abnabeln wie die Kinder von den Eltern. Jetzt ist es wichtig, neue Rituale zu schaffen und das veränderte Leben mit Elan anzugehen. Das Paar kann sich selbst feiern!

Besonders schwierig ist es für Paare, bei denen die Kinder als Bindeglied dienten. Fällt dieses weg, scheint ebenfalls die Bindung weg zu sein. Es sind Ehepaare, die sich schon vor längerer Zeit selbst verloren haben. Oft blieben sie noch aus Bequemlichkeit oder der Kinder wegen zusammen. Manchmal ist die Liebe sogar noch da, aber sie ist seit Jahren in den Hintergrund gerückt. Für diese Paare fällt die Umstellung auf das neue Leben nach dem Auszug der erwachsenen Kinder besonders schwer. Sie müssen nicht nur die neuen Freiheiten, sondern auch ihre Liebe zueinander wiederentdecken. Das kann sehr schwierig sein und gelingt nicht immer. Im traurigsten Fall kommt es zur Scheidung.

Vorbereitung ist möglich

Die Kinder reifen nicht überraschend zu Erwachsenen heran. Eltern sollten daher die Zeit vor dem Auszug nutzen, sich auf diesen mental vorzubereiten. Das heißt nicht, dass eigene Kind aus dem Haus zu drängeln. Es bedeutet vielmehr, sich auf diesen Moment einzustellen. Das können Eltern tun, indem sie sich Schritt für Schritt von dem Kind abnabeln. Häufig fällt dies nicht leicht, aber wer früh beginnt, den trifft es nicht so hart. Konkrete Maßnahmen dafür sind:

  • Ausübung von Hobbys ohne Kind und mit Ehepartner
  • gelegentliche Reisen mit dem Ehepartner und ohne Kind
  • Unterstützung der Selbständigkeit des Kindes
  • den Alltag umstrukturieren
  • ein übermäßiges betüdeln des Kindes abstellen
  • schöne Pläne schmieden, die erst mit Auszug des Kindes möglich sind

Zweifelsohne ist das Loslassen der geliebten Sprösslinge mit einer gewissen Traurigkeit verbunden. Zu gern erinnern wir uns an den Moment, als der Nachwuchs noch sehr jung war und unsere Hilfe bei allem braucht. Kennen Sie diesen Gedanken? Dann nutzen Sie ihn zum Loslassen der erwachsenen Kinder. Seien Sie auf sich stolz, dass sie Sie nicht mehr für das alltägliche Leben brauchen. Sie haben sie zu eigenständigen Menschen herangezogen, die ihren Weg gehen werden. Das sollte Eltern mit Glück erfüllen.

Gerade für die Mütter ist es oft schwer

Die Gleichberechtigung mag noch so sehr voranschreiten, oft sind es die Mütter, denen der Auszug der Kinder besonders schwerfällt. Sie waren häufig die engsten Bezugspersonen von dem Nachwuchs und haben für ihn ihren Job gänzlich oder temporär aufgegeben. Manchmal stellten die Sprösslinge den kompletten Lebensinhalt dar. Fehlen sie nun, entsteht ein Gefühl der Entwertung. Niemand braucht einen mehr. Auf einmal gleicht man einem überflüssigen Gepäckstück, was keiner vermisst.

Diese Gefühle können auftreten – auch bei Vätern.

Umso besser sich die Eltern jedoch mental auf die Selbstständigkeit der erwachsenen Kinder vorbereiten, desto weniger entstehen diese vernichtenden Emotionen. Solche negativen Gefühle können selbst eine gut funktionierende Ehe stark belasten. Gelegentlich fällt der Elternteil sogar in Depressionen oder wird überaktiv. Beides kann letztlich eine Ehekrise heraufbeschwören.

Erwachsene Kinder verlassen uns nicht

Eltern sollten sich verinnerlichen, dass ihre erwachsenen Kinder sie nicht verlassen. Besteht ein gesundes Eltern-Kind-Verhältnis, ist der Auszug ein natürlicher Entwicklungsschritt. Wer möchte schon einen Nesthocker, der noch mit 30 Jahren von der Fürsorge seiner Eltern abhängig ist?

Nicht selten wird das Eltern-Kind-Verhältnis durch den Auszug sogar besser. Zahlreiche Reibungspunkte verschwinden. Stattdessen dürfen die Eltern beobachten, wie das Kind immer selbstständiger wird. Und noch ein Trost: Unsere Kinder sind in der Regel die beständigsten Bezugspersonen in unserem Leben, die den größten Einfluss auf uns haben. Sie bleiben ewig unsere Kinder. Was für ein beruhigender Gedanke!

_________

Photo by Andrew Neel on Unsplash

Publiziert am 
Oct 1, 2019
 in Kategorie:
Älterwerden

Mehr zur Kategorie:

Älterwerden

alle ansehen

Nehme an unserem regelmäßigen Newsletter teil und lies als erstes die neuen Beiträge:

Vielen Dank! Wir haben Deine Anmeldung erhalten.
Hoppla! Beim Absenden des Formulars ist ein Fehler aufgetreten.